WMO-Präsident Gerhard Adrian bei der jährlichen Klima- Pressekonferenz
Berlin, 29. März 2022 – „Wir leben in Krisenzeiten. Der Krieg in der Ukraine und die andauernde globale Pandemie stehen dabei völlig zu Recht im Vordergrund. Trotzdem muss ich deutlich machen: Auch die globale Klimakrise hat uns weiterhin fest im Griff“, so Prof. Dr. Gerhard Adrian, Präsident der Weltorganisation für Meteorologie (WMO) und des Deutschen Wetterdienstes (DWD) anlässlich der jährlichen Klima-Pressekonferenz des nationalen Wetterdienstes in Berlin.
Gerade die Flutkatastrophe im Juli 2021 habe uns Deutschen schmerzhaft bewusst gemacht, wie verwundbar wir durch extreme Wetterereignisse sind. Dieses Schicksal teilen wir mit vielen Regionen weltweit. Adrian: „Aber wir sind dem Klimawandel nicht hilflos ausgeliefert. Wir können mit Klimaschutz den langfristigen Trend zu immer heftigeren Wetterextremen zumindest dämpfen und die Auswirkungen von Wetterextremen, die uns in den nächsten Jahren unvermeidbar treffen, durch schnelle und effiziente Anpassungsmaßnahmen begrenzen.“
Meeresspiegel, Mitteltemperatur und Treibhausgaskonzentrationen steigen weiter
Allerdings gebe der globale Zustand des Klimas im Jahr 2021 keinen Hinweis auf Entwarnung, so der WMO-Präsident. Der Meeresspiegel steige von Jahr zu Jahr auf neue Rekordhöhen. Für den Zeitraum 2013-2021 beträgt der Anstieg nun 4,4 mm pro Jahr. Im Zeitraum 1993-2002, in dem erstmals Satellitenmessungen des Meeresspiegels zur Verfügung standen, waren es noch 2,1 mm pro Jahr. Bei der Temperatur zeigen neueste WMO-Auswertungen, dass auch das Jahr 2021 mit einem Plus von gut einem Grad im Vergleich zum Mittel der vorindustriellen Referenzperiode 1850-1900 deutlich zu warm war. Weltweit ist es seit Ende des 19. Jahrhunderts etwa 1,1 Grad wärmer geworden. In Deutschland sind es sogar 1,6 Grad. Obwohl es 2020 auch aufgrund der Pandemie weltweit zu einem 5,6prozentigen Rückgang der Kohlendioxidemissionen kam, wurden für 2020 – globale Werte für 2021 liegen erst Ende 2022 vor – erneut Höchststände der global gemittelten Konzentrationen berechnet. Auch für 2021 ließen erste Beobachtungen einzelner Referenzstationen keine Trendänderung beim Anstieg der Treibhausgaskonzentrationen erkennen. Die Folgen seien, so Adrian, absehbar: „Unser Wetter und damit auch das Klima wird extremer – weltweit, in Europa und in Deutschland. Darauf müssen wir uns einstellen.“
Drei zu trockene Jahre haben deutsche Wälder flächendeckend geschädigt
Das zeigten auch die ausgesprochen warmen und trockenen Jahre 2018, 2019 und 2020 in Deutschland. Die extremen Temperaturen und die Trockenheit vom Frühsommer bis in den Herbst haben damals die Böden in Deutschland extrem ausgetrocknet. Erst im Jahr 2021, das deutlich niederschlagsreicher war, konnte man wieder in fast ganz Deutschland Böden beobachten, die in allen Bodenschichten ausreichend mit Wasser versorgt waren. „Das ist für die Land- und Forstwirtschaft eine gute Nachricht,“ so Tobias Fuchs, Vorstand Klima und Umwelt des DWD. Für die Landwirtschaft waren die Folgen dieses 3jährigen Trockenstresses der Böden in vielen Regionen aber enorm. So habe es zum Beispiel vielfach einen deutlichen Rückgang beim Grünlandertrag gegeben, der örtlich zu Engpässen bei der Futterversorgung führte. Eine besonders negative Auswirkung hatte der beschriebene Witterungsverlauf auf die Wälder. Auswertungen von Satellitendaten belegen eine flächendeckende Beeinträchtigung der Vitalität der Waldbestände in ganz Mitteleuropa über drei Jahre hinweg. 2019 nahmen die sichtbaren Schäden in Form von Kronenverlichtungen und dem Absterben ganzer Bäume noch einmal deutlich zu. Besonders auffällig sei gewesen, dass dabei nicht nur die ohnehin anfälligen Fichtenmonokulturen betroffen waren, sondern in starkem Maße auch standortgerechte und naturnahe Laub- und Mischwälder. Leider, so Fuchs, müsse man davon ausgehen, dass solche Trockenperioden mit der zunehmenden Erderwärmung häufiger und vielleicht auch heftiger auftreten werden.
Der DWD beobachtet einen weiteren Effekt, der über die Jahre deutlich zugenommen hat – die Frühjahrstrockenheit. Am stärksten betroffen sei der Nordosten Deutschlands. Dort regne es mittlerweile von Mitte März bis Mai an etwa 40 Tagen nicht mehr. Diese Zunahme der Frühjahrstrockenheit ausgerechnet in einem Zeitraum, in dem die Vegetation „erwacht“ und einen hohen Bedarf an Wasser hat, beeinträchtige die Pflanzenentwicklung erheblich. Fuchs: „Das hat deutliche Auswirkungen: Der Konkurrenzkampf um die Ressource Wasser ist bereits im Gange und der Klimawandel verändert schon unsere Land- und Forstwirtschaft.“ Damit gewännen jederzeit verfügbare Informationen über agrarmeteorologische Rahmenbedingungen wie den wichtigen Bodenfeuchtezustand eine entscheidende Bedeutung.
DWD stellt der Landwirtschaft tagesaktuell Fakten zur Bodenfeuchte bereit
Der DWD bietet deshalb seit Mitte 2021 ein Webportal zur aktuellen Bodenfeuchtesituation an – den Bodenfeuchteviewer (www.dwd.de/bodenfeuchteviewer). Das Angebot ermögliche, Fakten zur Bodenfeuchtesituation und Trockenheit in ganz Deutschland in unterschiedlichen Bodentiefen bis 2 Meter zu recherchieren. Der Viewer wird täglich aktualisiert, einzelne Regionen können „herangezoomt“ oder beliebige Orte anklickt werden. Über Farbverläufe könne ein Landwirt auf einen Blick erkennen, ob in seiner Region in zum Beispiel 60 cm Tiefe unter Winterweizen extremer Trockenstress besteht oder – im Gegenteil – durch Überversorgung mit Wasser gar Sauerstoffmangel droht. Fuchs: „Der DWD baut derzeit ein eigenes bundesweites Messnetz zur Erfassung der Bodenfeuchte auf, um die Datenbasis des Angebots weiter zu verbessern.“
Der Bodenfeuchteviewer ist einsehbar unter diesem Link
2021 bestätigt auch in Deutschland klaren Trend der globalen Erwärmung
In Deutschland lag 2021 das Gebietsmittel der Temperatur mit 9,2 Grad Celsius ein Grad über dem vieljährigen Mittel der internationalen Referenzperiode 1961-1990. 2021 war hierzulande das elfte zu warme Jahr in Folge. „Das vergangene Jahr bestätigt damit auch in Deutschland klar den Trend der globalen Erwärmung,“ betont Dr. Andreas Becker, Leiter der Abteilung Klimaüberwachung des DWD. Die Folgen dieses Trends seien absehbar. Der Klimawandel trage dazu bei, dass Deutschland künftig vermehrt mit Wetterextremen wie den Starkregenereignissen im Juli 2021 im Westen von Rheinland-Pfalz und der Südhälfte von Nordrhein-Westfalen rechnen müsse. Becker: „Darauf müssen wir uns besser vorbereiten.“
Deutscher Wetterdienst plant Naturgefahrenportal
Bei der Vorsorge und Bewältigung von Wettergefahren spielten eine geschlossene Warnkette vom DWD bis zu den zuständigen Einsatzkräften vor Ort und die Stärkung des Risikobewusstsein der Bevölkerung eine zentrale Rolle. Um das eigene Risiko einschätzen zu können, müssten alle Bürgerinnen und Bürger aber auch wissen, wie hoch am eigenen Wohnort die Gefahr durch Extremwetter grundsätzlich sei. Der DWD arbeite deshalb mit Partnern aus Bund und Ländern am Aufbau eines Naturgefahrenportals im Internet, das solche klimatologischen und infrastrukturellen Informationen gebündelt und verständlich anbiete.
Trotz der außergewöhnlichen Niederschläge im Juli entsprach das gesamte Jahr 2021 mit einer mittleren Niederschlagssumme von 801 l/m2 ziemlich genau dem vieljährigen Mittelwert. Der Januar war sehr niederschlagsreich. Nach den trockeneren Monaten Februar, März und April folgten die feuchteren Monate Mai, Juni, Juli und August und damit ein eher verregneter Sommer. Die drei Herbstmonate und der Dezember waren wiederum deutlich zu trocken.
DWD unterstützt Energiewende mit Wetter- und Klimadaten
Angesichts des forcierten Ausbaus der erneuerbaren Energien steige das Interesse an den Wind- und Strahlungsverhältnissen in Deutschland. Deshalb werde der DWD als nationaler Wetterdienst darüber künftig regelmäßig informieren. Für 2021 könne bilanziert werden: Es war ein sehr windarmes Jahr. Zugleich lagen Sonnenscheindauer und Einstrahlung leicht über dem langjährigen Durchschnitt.
Der DWD unterstütze mit solchen Daten und seiner Expertise seit Jahrzehnten den Ausbau der erneuerbaren Energien. Aktuell werde zum Beispiel gemeinsam mit dem Eisenbahnbundesamt und der Bundesanstalt für Straßenwesen untersucht, welches Ertragspotential durch die Nutzung von Photovoltaik an Lärmschutzwänden entlang der Verkehrswege besteht. Für die Fortentwicklung der Offshore-Windenergie stelle der DWD dem Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie Auswertungen zu den Windverhältnissen in Nord- und Ostsee zur Verfügung. Becker: „Die Wetter- und Klimadaten des DWD helfen, die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern zu senken. Gerade die jüngsten politischen Ereignisse zeigen: Das ist nicht nur wichtig für den Klimaschutz, sondern hat auch eine sicherheitspolitische Komponente.“ (Jährliche Klima- Pressekonferenz des Deutschen Wetterdienstes DWD am 29.03.2022)