UNESCO: Welttag der Biologischen Vielfalt

Der diesjährige Schwerpunkt: Grasland

Jährlich findet am 22. Mai der Internationale Tag der Biodiversität (biologische Vielfalt) statt.Die Vereinten Nationen haben Ende 2000 den Tag der Biodiversität vom 29. Dezember, dem Tag, an dem 1993 die Convention on Biological Diversity (CBD) in Kraft trat, in den Mai verlegt. Er soll uns erinnern, dass am 22.Mai 1992 das UN- Übereinkommen über die Biodiversität verabschiedet wurde. 192 Staaten haben es damals ratifiziert. Die Weltgemeinschaft hat sich in diesem Jahr das Ziel gesetzt, über den großen Wert des natürlichen Graslandes Gedanken zu machen und jeder persönlich Strategien zum Schutz des wertvollen Biotops zu entwickeln.

Der Verlust der Biodiversität ist, neben dem Klimawandel, eines der größten Probleme auf der Erde. Hauptverantwortlich für die zunehmend geringere Biodiversität ist die industrielle Landwirtschaft, sind Monokulturen, Verstädterungen, Umwandlungen des Grünlandes sowie der Klimawandel.

54% der weltweiten Landfläche besteht aus natürlichen Graslandschaften. Hier weiden oft Wild- und Haustiere und sie sichern die Lebensgrundlage großer Bevölkerungsschichten, ca 1/6 der Weltbevölkerung. Zum heutigen, Internationalen Tag der Biodiversität hat die UN, hier die Experten der UNCCD1, einen umfassenden Bericht zum Zustand des natürlichen Grünlandes veröffentlicht: UNCCD: Silent Devise of vast rangelands Theaters climate, food, wellbeing of billions. Das Problem ist, dass mehr als 50% dieser Graslandfläche bereits erheblich durch Umbruch oder Übernutzung geschädigt ist. Das ist nicht nur ein Problem einiger umherziehender Nomaden, sondern betrifft 1/6 der Weltbevölkerung und 1/3 des weltweiten Carbon- Reservoirs (Kohlenstoffspeichers).

Durch den Raubbau am Grasland kommt es zu erheblichen, oft dauerhaften Schäden, wie Trockenheit, nachlassende Fruchtbarkeit, Überweisung, Erosion, Versalzung und Verdichtung der Graslandböden. Umnutzung sowie Überweidung sind neben dem Klimawandel die größten Verursacher.

Um die Berichte besser verstehen zu können, sind die internationalen Definitionen des Dauergrünlandes hilfreich:

Grasland: Dauergrünland mit natürlicher Vegetation (Steppe, Prärieen, Savannen, Tundren, Halb- Wüsten, Almen, Puszta, usw.). Diese Biotope benötigen zum Erhalt keine menschlichen Eingriffe.

Rangelands: Grasland mit Beweidung durch Wild- und Nutztiere.

In Deutschland gibt es nach UNCCD- Definition so gut wie keine Grasland- und Rangelandflächen. Unser heimisches Dauergrünland ist immer anthropogen bedingte, also vom Menschen beeinflusst. Ohne Bewirtschaftung hätten wir in Deutschland dauerhaft Wald. Einzig im Alpenraum gibt es Rangelands, das sind die Almen.

Allen Dauergrünlandflächen, Grasland, Rangelands oder von Menschenhand geformte Dauergrünlandflächen, gemeinsam ist, dass Dauergrünland ein größerer Kohlenstoffspeicher als Wald und gleichzeitig die Artenvielfalt durch beweidete Flächen (Weiden) in aller Regel höher als intensiv bewirtschaftete, mehrfach in der Saison gemähte Wiesen ist.

Einmal mehr zeigt uns der 22.Mai, der Welttag der Vielfalt, wie wichtig und schützenswert Dauergrünland nicht nur für uns, sondern für die Ernährung der Weltbevölkerung, für die Artenvielfalt und den Klimaschutz ist. Die Zerstörung des Graslandes ist nicht das Problem einiger umherziehender Nomaden, es betrifft uns alle.

1 United Nations Convention to Combat Desertification. Es ist das wichtigste internationale Abkommen zum Bodenschutz, Landesverwaltung, Landnutzung, Widerstandsfähigkeit gegen den Klimawandel und die biologische Vielfalt.

Fotos: privat

Biologische und genetische Vielfalt geht verloren

Pferdebetriebe können helfen, die Biodiversität zu erhalten und gleichzeitig den Klimawandel begrenzen

Seit 1991 sind fast 30 % der Wiesenschmetterlinge verschwunden.

Landnutzungsveränderungen, wie intensive Land- und Waldwirtschaft anstelle naturnaher Wirtschaftweisen, Grünlandumbruch, Straßenbau, Stadtausweitungen, Bodenversiegelungen, Bodenverdichtungen, Umweltverschmutzung, Kanalisierung von Flussläufen, Wassernutzung, Entwässerungen und natürlich auch der Klimawandel sind verantwortlich für ein massives Artensterben von Pflanzen und Tieren. Zu den Pflanzen und Tieren gehören auch viele Nutzpflanzen und -tiere (20% seit 1950). Alleine bei diesen Nutzpflanzen und -tieren verlieren wir Genmaterial, welches eventuell zur Anpassung an den Klimawandel noch dringend benötigt wird. Das Einlagern von Genmaterial ist nicht zielführend, weil in der Einlagerung von Genen bereits ausgestorbener Arten diese sich evolutionär nicht mehr an die wechselnden Umweltbedingungen anpassen können. Die Wahrscheinlichkeit, dass rückgezüchtete Arten nach ihrer Einlagerung noch anpassungsfähig sind, ist sehr hoch.

Die großen Verlierer sind die Insekten

Besonders bedroht sind die Insekten. Noch im Jahr 2019 gingen die Wissenschaftler vom Weltbiodiversitätsrat IPBES noch davon aus, dass rund 10% aller Insektenarten in ihrem Bestand gefährdet sind, aktuelle wird von ca. 24% ausgegangen. Eine rasante Zunahme!

Der Weltbiodiversitätsrat IPBES ermittelt die vom Aussterben bedrohten Tier- und Pflanzenarten und die Weltnaturschutzorganisation IUCN führt die sog. Rote Liste.

Für Westeuropa ermittelte der Weltbiodiversitätsrat1:

1/5 aller Tiere und Pflanzen sind vom Aussterben bedroht (27% der Pflanzen, 18% der Wirbeltiere)

Die detaillierte Aufstellung findet Ihr unten in der Abbildung2:

Die genaue, derzeit aktualisierten Analyse vom Aussterben bedrohter Arten hat der Weltbiodiversitätsrat im November 2023 vorgelegt. Unterschieden wird nach Region, Arten insgesamt und Endemischen Arten (Arten, die lediglich in bestimmten Region vorkommen).

Je genauer sich Wissenschaftler*innen mit der Biodiversität befassen, desto schlimmer bildet sich die Realität ab. Einer dieser Wissenschaftler ist Professor Jan Habel3:

Ziel: „EU-Gesetz zur Wiederherstellung der Natur“

Ganz wichtig ist eine finale Entscheidung zu einem europaweitem Gesetz zur Wiederherstellung der Natur.4 Die Natur ist schliesslich unsere Lebensgrundlage, doch ihr Zustand verschlechtert sich. Die EU und ihre Länder arbeiten an einem Rechtsakt, mit dem erstmals verbindliche Ziele für die Wiederherstellung von Ökosystemen, Lebensräumen und Arten festgelegt werden sollen.

Um Tieren und Pflanzen nicht nur beim Artensterben zuzuschauen, ist vor allem eine neue Agrarpolitik nötig, da sind sich die Experten einig. „Es ist davon auszugehen, dass der starke Rückgang zahlreicher Pflanzenarten auf die Zerstörung von Lebensraum und auf Stickstoffeinträge zurückzuführen ist. Zahlreiche Pflanzen seien auf eine extensive Bewirtschaftung angewiesen. Landwirtschaftliche Intensivierung, aber auch die Nutzungsaufgabe, etwa das Ende der Weidetierhaltung, führen hierbei zum Verschwinden von zahlreichen Arten“.

Moore erhalten

Erstmals wurden auch Moose auf ihre Biodiversität untersucht. In der neuen Untersuchung stellten die Wissenschaftler fest, dass fast 25% aller Moosarten vom Aussterben bedroht sind. „Sie sind als CO2-Speicher extrem wichtig und viel bedeutsamer als Bäume“, sagt der Biodiversitätsexperte Professor Axel Hochkirch5. „Keine Pflanzengruppe kann besser Kohlendioxid speichern als Torfmoose.“

Nachhaltiges Wirtschaften von Pferdebetrieben trägt zum Arterhalt und zum Klimaschutz bei

  • Deutliche Reduzierung der Stckstoffdüngergaben
  • Tierbesatz reduzieren bzw. an Fläche anpassen: Keine Überweidung
  • Bodenschutz
  • Bodenleben fördern
  • Wasser im Boden halten
  • regelmäßige Umweidung
  • Industrieller Pflanzenschutz nur in Notfällen
  • Bodenverdichtungen vermeiden
  • Moore und Wasserläufe erhalten
  • Streuobstwiesen anlegen
  • Hecken/ Knicks pflanzen
  • Ackerrandstreifen anlegen (Futterpflanzen für Bienen und Hummeln)
  • Gewässerschutzstreifen einrichten und pflegen
  • Niederschlagswasser nutzen
  • Atenreiches Grünland
  • Dauergrünland pflegen und erhalten
  1. Weltbiodiversitätsrat. Die Intergovernmental Science-Policy Platform on Biodiversity and Ecosystem Services (dtsch: Zwischenstaatliche Plattform für Biodiversität und Ökosystem-Dienstleistungen) ist eine UN-Organisation mit Sitz in Bonn. ↩︎
  2. IPBES: Biologische Vielfalt und Ökosystemleistungen in Europa und Zentralasien, S. 22 ↩︎
  3. Univ.-Prof. Dr. Jan Christian Habel, Fachbereichsleiter und Leiter des Fachgebietes Zoologische Evolutionsbiologie ↩︎
  4. Das Gesetz zur Wiederherstellung der Natur würde die EU-Länder verpflichten, nationale Wiederherstellungspläne zur Renatusierung 20% der Land- und 20% der Meeresgebiete bis 2030 zu entwickeln. In diesen Plänen sollen die Maßnahmen zur Verwirklichung der in der Verordnung vorgesehenen verbindlichen Ziele, die wiederherzustellende Gesamtfläche sowie ein Zeitplan festgelegt werden. Infomaterial ↩︎
  5. Axel Hofkirch, Professor für Biodiversität und Naturschutz. Tätig  als Kurator für Ökologie am Nationalmuseum für Naturgeschichte Luxemburg, früher Uni bTrier. ↩︎

Basics: Bodenschutz = Artenschutz = Klimaschutz

Bild: Von Lucarelli – Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=9911457

Gesunde, lebende Böden bekommen einen immer höheren Stellenwert beim Erhalt der Artenvielfalt (Biodiversität) und dem Klimaschutz

Lebende Böden sind das weltweit artenreichste Ökosystem. Nach neuesten Erkenntnissen eines Schweizer Forscherteams* leben im Boden ca. 60 % aller uns bekannten Arten. Bisher war man von einer wesentlich geringeren Anzahl, nämlich 25%, ausgegangen.

In einem gesunden, luftigen Boden wimmelt es von Pilzen, Algen, Viren, Bakterien, Einzellern, Pflanzen, wirbellose Tiere (Schnecken, Insekten, Krebstiere, Spinnentiere, Tausendfüßler, Rundwürmer, Ringelwürmer) und natürlich auch Wirbeltiere.

Nur lebende, luftige Böden erhalten die bedeutende Artenvielfalt dieses wertvollen Ökosystems.

Weil die Gesamtheit des Bodenlebens am Nährstoffkreislauf und der Kohlenstoffspeicherung massgeblich beteiligt ist, bekommt der Boden eine immer größere Bedeutung nicht nur bei der Pflanzenernährung, sondern auch beim Klimaschutz.

Die Forscher der jetzt vorgelegten Studie wünschen sich, dass der Bodenschutz in Zeiten des Klimawandels, des Artensterbens, der Intensivierung der Landwirtschaft und Ausweitung des Baulandes deutlich verbessert wird. „Unsere Studie zeigt,“ so die Forscher um Mark Anthony „dass die Vielfalt in den Böden groß und entsprechend wichtig ist und sie somit im Naturschutz viel stärker berücksichtigt werden sollte.“

BodenlebewesenUnterteilung in …Beispiel
BakterienKnöllchenbakterien, aerobe Bakterien, anaerobe Bakterien
EinzellerWimpertierchen, Geißeltierchen, Amöben, Pantoffeltierchen
PilzeHutpilze (wie Fliegenpilz, Steinpilz, Pfifferling), Flechten, Myzelgeflecht
Pflanzenunterirdische Pflanzenteile, wie PflanzenwurzelnBäume, Gräser, Kräuter, Algen
Viren



WeichtiereGartenschnecke, Weinbergschnecke
InsektenSpringschwänze, Ohrwürmer, Käfer, Fliegen, Mücken
KrebstiereAsseln
wirbellose TiereSpinnentiereSpinnen, Weberknechte, Milben, Zecken
TausendfüßlerTausendfüßler, Hundertfüßler
RingelwürmerRegenwurm
RundwürmerFadenwürmer



SäugetiereMaulwurf, Wühlmaus, Hamster, Kaninchen, Fuchs, Dachs, Feldmaus
WirbeltiereReptilienEidechse, Schlangen
AmphibienKröten, Feuersalamander
Nähere Infos zum Bodenleben in: Lernort, Boden, Bayerisches Staatsministerium für
Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz (StMUGV)
Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung (ISB)

* Eidgenössische Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL), Birmensdorf, Schweiz