Deutschland erlebt heute schon gravierende Folgen des Klimawandels

Deutscher Wetterdienst DWD beschreibt beschleunigte Erwärmung in Deutschland mit neuer Klimatrendline

Berlin, 1. April 2025 Der Deutsche Wetterdienst (DWD) beobachtet auch in Deutschland eine beschleunigte Erwärmung in Folge des Klimawandels. Seit den 1960er-Jahren ist jede 10-Jahresperiode wärmer als die vorherige gewesen. Die zehn wärmsten Jahre seit 1881 sind in den vergangenen 25 Jahren aufgetreten. 2023 und 2024 erlebte Deutschland jeweils einen Allzeitrekord in der Jahresmitteltemperatur. Mit im Mittel 10,9 Grad Celsius (°C) war 2024 hierzulande das bisher wärmste Jahr seit Messbeginn. „Die Folgen dieses beschleunigten Klimawandels sind für Deutschland schon heute schon gravierend“, bewertet Tobias Fuchs, Vorstand Klima und Umwelt des nationalen Wetterdienstes, diese Klimafakten.

Abweichungen der 10-Jahresperioden 1885–1894 bis 2015–2024 vom vieljährigen Temperaturmittel 1881–1910 welches für die vorindustrielle Zeit in Deutschland repräsentativ ist.

Als Beispiele nannte der Klimatologe die veränderten Jahresmitteltemperaturen. Was zwischen 1881 und 1990 extrem gewesen sei, ist heute normal. Zugleich nimmt die Variabilität von Temperatur und Niederschlag zu. So gibt es immer ausgeprägtere Wechsel zwischen überdurchschnittlich nassen und sehr trockenen Jahren. Durch das Temperaturplus der vergangenen Jahre wird Deutschland mit mehr Hitzewellen konfrontiert. Das gefährde, so Fuchs, schon heute vulnerable Bevölkerungsgruppen gerade in Großstädten und Ballungsräumen. Der DWD kann inzwischen aus Beobachtungsdaten eine Zunahme von extremen Wetterereignissen wie Starkregen und Dürren ableiten. Immer wieder sei zu beobachten: Während einige Regionen mit Überschwemmungen kämpfen, leiden andere unter Wasserknappheit. In den vergangenen zwei Jahren konnten zudem extreme marine Hitzewellen in den Ozeanen beobachtet werden. Neben dem seit Jahren überdurchschnittlich warmen Mittelmeer sind nun auch europanahe Bereiche des Nordatlantiks sowie die Nord- und Ostsee überdurchschnittlich warm. Fuchs: „Die Konsequenzen erleben wir. Warme Ozeane verdunsten in eine wärmere Atmosphäre bedeutend mehr Wasserdampf. Das führt zu katastrophalen Stark- und Dauerniederschlägen.“ Eine Konsequenz dieser veränderten Wetterbedingungen sei, dass die Energieversorgung öfter und stärker beeinträchtigt und damit abhängiger vom Wetter werde. Schließlich gerate auch die Biodiversität angesichts der schnellen Erwärmung unter Druck. Das gelte vor allem für Ökosysteme mit einer geringen Resilienz gegen den beschleunigten Klimawandel, wie zum Beispiel den deutschen Wald.

DWD erfasst Klimawirklichkeit mit neuer Trendlinie besser
Der DWD verwendet seit Jahrzehnten zur Darstellung der Temperaturveränderung in Deutschland einen linearen Trend. Diese Methode weist ein Plus bei der Jahresmitteltemperatur zwischen 1881 und 2024 von 1,9 Grad aus. Allerdings kann ein linearer Trend die beschleunigte Erwärmung der vergangenen 50 Jahre nicht angemessen darstellen. Es gab im Gesamtzeitraum 1881 bis 2024 anfangs immer wieder zu kühle Phasen und schließlich die warme Welle der vergangenen 50 Jahre. Seit den 1970er Jahren lag der Temperaturanstieg pro Dekade bei 0,41 Grad. Schaut man den Gesamtzeitraum seit 1881 an, liegt das Plus im Mittel bei „nur“ 0,13 pro Dekade. Der DWD wird deshalb künftig eine neue Klimatrendlinie nutzen, die den zuletzt beschleunigten Temperaturanstieg deutlich besser abbilden kann. Das Ergebnis der neuen Methode sei ernüchternd: Deutschland hat sich im Vergleich zur frühindustriellen Zeit bereits um 2,5 ⁰C erwärmt. Fuchs weist zugleich darauf hin: „Der DWD hat nicht neu gemessen, die Welt ist dieselbe wie vorher. Allerdings wird die Realität, und das betrifft vor allem die beschleunigte Erwärmung, jetzt besser beschrieben.“ Ein weiterer Vorteil des neuen Verfahrens sei, dass es auch eine künftige Stagnation oder einen Rückgang der Erderwärmung durch erfolgreichen Klimaschutz zeitnah erfassen könne.

Vergleich der Temperaturentwicklung weltweit (Quelle: NOAA) mit dem Gebietsmittel für Deutschland (Quelle: Deutscher Wetterdienst) seit 1881. Die Geraden zeigen jeweils den linearen Trend im Gesamtzeitraum.

Allzeitrekord der Jahresmitteltemperatur pulverisiert Allzeitrekord des Vorjahres
In seiner Bilanz des Jahres 2024 hob Dr. Andreas Becker, Leiter Klimaüberwachung des DWD, den mit 10,9 °C Jahresmitteltemperatur erneuten Allzeitrekord für Deutschland hervor. „Erschreckend ist vor allem, dass der alte Rekord aus 2023 gleich um 0,3 °C übertroffen wurde. Das ist aus klimatologischer Sicht absolut außergewöhnlich!“ Wie 2023 sorgten auch 2024 ein extrem milder Winter und ein rekordwarmes Frühjahr für diesen Temperaturschub. Der DWDerfasste deutschlandweit 2024 im Mittel 52 Sommertage mit einer Maximumtemperatur von über 25 °C und 12 Heiße Tage mit über 30 °C. Das waren fast doppelt so viele Sommertage und fast dreimal so viele Heiße Tage wie üblich.

2024 war hierzulande überdurchschnittlich nass und das 12.feuchteste Jahr seit 1881. Mit 902 l/m2 fiel jeweils 14 Prozent mehr Niederschlag als im Mittel der Referenzzeiträume 1961-1990 und 1991-2020. Besonders im Februar, Mai und September regnete es überdurchschnittlich viel. Nur wenige Regionen wie Sachsen, Brandenburg und Baden-Württemberg waren im Jahresverlauf zu trocken. Im Nordwesten und Südosten war der Niederschlagsüberschuss am höchsten. Das deutschlandweit nasse 2024 war nach DWD-Einschätzung für die Natur wichtig: Die Grundwasserspeicher konnten sich nach den meist sehr trockenen Jahren von 2011 bis 2022 in den vergangenen beiden Jahren wieder auffüllen.

2024 war nur ein durchschnittliches Windjahr
Mit einer deutschlandweit gemittelten Windgeschwindigkeit in 100 m Höhe von etwa 5,7 m/s war 2024 ein durchschnittliches Windjahr, berichtet Dr. Renate Hagedorn, Vizepräsidentin des DWD. Schaue man nur auf die vergangenen zehn Jahre, war 2024 windreich, aber nicht so ausgeprägt wie 2023. Im Norddeutschen Tiefland und in Deutschlands ausschließlicher Wirtschaftszone in Nord- und Ostsee fiel die Windgeschwindigkeit dagegen nach DWD-Auswertungen sogar etwas höher aus als 2023. Im Verlauf des Jahres 2024 war sie in den Monaten Januar, Februar, April und September überdurchschnittlich, im Rest des Jahres unterdurchschnittlich. Anders sei das Bild beim Beitrag der Sonne zur Energieproduktion aus Photovoltaik gewesen: Die Globalstrahlung lag 2024 deutschlandweit mit einem Mittelwert von 1113 kWh/m² auf dem achten Platz seit Beginn der Auswertungen im Jahr 1991. Das war ein deutliches Plus im Vergleich zum Mittel der Referenzperiode 1991–2020 von 1086 kWh/m2.

Die satellitenbasierten Datensätze des DWD erlauben auch einen Blick über die deutschen Grenzen. Dabei zeigt sich bei der Strahlung 2024 ein starker Kontrast zwischen überdurchschnittlichen Werten in Osteuropa und unterdurchschnittlichen Werten in großen Teilen Westeuropas, vor allem in Frankreich. Die Grenze zwischen diesen Regionen verläuft durch Deutschland. In den östlichen Bundesländern lagen überdurchschnittliche Verhältnisse der solaren Einstrahlung vor, im Westen und Süden gab es ein Minus. Ein gut ausgebautes Stromnetz könne, so Hagedorn, zum Ausgleich solcher regionalen Unterschiede beitragen.

Bei der Energieerzeugung ergänzten sich Wind und Sonne auch 2024 gut
Die kombinierte Betrachtung des jährlichen Verlaufs von Wind und Strahlung zeigte auch 2024 das übliche Bild für Deutschland: Die höchsten Werte der Sonneneinstrahlung fallen in die Sommermonate, die höchsten Werte der Windgeschwindigkeiten sind dagegen in den Wintermonaten zu beobachten. Generell ergänzten sich also beide Energieformen in ihrem jährlichen Verlauf gut. Das sei ein Vorteil für die Energiewirtschaft, da dadurch die Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien stabiler verfügbar ist.

Saisonaler Verlauf der Monatsmittel von Windgeschwindigkeit in 100m Höhe in m/s und Globalstrahlung in kWh/m2 im Jahr 2024 im Vergleich zu den zehn Jahren zuvor (2014 bis 2023)

In diesem Kontext hat der DWD auch das Thema „Dunkelflaute“ untersucht. Ein aktuelles Beispiel gab es im November und Dezember 2024 mit windschwachen Phasen. Das führte besonders am 6.11. und am 12. 12. 2024 verbunden mit der niedrigen Sonnenscheindauer im Winterhalbjahr zu einer geringeren Energieproduktion aus Windkraftanlagen. Solche unterdurchschnittlichen Windverhältnisse hängen mit bestimmten Großwetterlagen zusammenhängen und treten insbesondere beim sogenannten „Hoch Mitteleuropa“ auf. Das Ergebnis sei eindeutig: Die „Dunkelflaute“-Situationen im vergangenen November und Dezember passen genau zur Großwetterlage „Hoch Mitteleuropa“. Da zeitgleich unter anderem im Norden Skandinaviens überdurchschnittliche Windverhältnisse auftraten, bestehe zumindest aus meteorologischer Sicht die Möglichkeit eines inner-europäischen Ausgleichs.

Bisher kein Zuwachs an Dunkelflauten durch den Klimawandel
Der DWD konnte außerdem durch die Analyse aller Winterhalbjahre seit 1951 feststellen, dass sich die Großwetterlage „Hoch Mitteleuropa“ nicht markant verändert hat – trotz des bisherigen Klimawandels. Sowohl die absolute Anzahl der Tage pro Halbjahr mit dieser Großwetterlage wie auch die maximal zusammenhängende Andauer der Ereignisse blieb bisher stabil. Hagedorn: „Das ist eine gute Nachricht für die Energiewirtschaft. Es gibt keine Hinweise, dass die Stromerzeugung aus Photovoltaik- und Windkraft durch mehr „Dunkelflauten“ riskanter geworden ist.“

Deutschlandkarte mit Wetterextremen des Jahres 2024.

Quelle Text und Grafiken: Klimakonferenz des Deutschen Wetterdienstes DWD



Basics: Was hat die Erwärmung der Meere mit dem Pferdegrünland auf dem Festland zu tun?

Genau wie das Festland wird es auf den Meeren immer wärmer. Das hat gravierende Folgen auch für die Landwirtschaft. Daran gibt es keinen Zweifel mehr. Die Wassertemperatur der Meere überschreitet jedes Jahr den vorherigen Hitzerekord. Da Wasser deutlich mehr Wärme, also Energie, speichern kann, als das Festland und gleichzeitig wärmere Luft mehr Wasserdampf speichern kann, sind die immer wärmer werdenden Meere mittlerweile regelrechte Energiebomben. Die entladen sich in immer stärkere Wetterextreme, wie Hurrikane, Tornados, Stürme, Gewitter, Hagel, Starkregen, Überschwemmungen, Bergstürze, Muren, …. Diese Wetterextreme sind mittlerweile so stark, dass sie in bestimmten Regionen lebensbedrohliche Ausmaße einnehmen können.

Im Sommer 2024 wurden im Mittelmeer extrem hohe Wassertemperaturen von 30°C gemessen. Das Wasser hat gewaltige Energiemengen gespeichert und kann auch im Herbst und Winter die Luft überdurchschnittlich stark erwärmen. Da warme Luft erheblich mehr Wasserdampf speichern kann als kühlere Luft, prallt warme feuchte Luft gegen das kältere Festland. Die Temperatur sinkt gleichzeitig mit der Wasserdampfhaltefähigkeit. Das freiwerdende Wasser regnet in Form von Starkregen ab. Überall dort, wo warme, feuchte Meeresluft an Bergen aufsteigen muss, abkühlt und abregnet, kommt es zu katastrophalen Regenfällen. Ganze Regionen, wie im Herbst in Südspanien, versinken im Wasser.

Wie sich die aktuellen Meerestemperaturen in Europa entwickeln könnt Ihr hier nachlesen.

Aber Extremwettersituationen sind nicht die einzige Folge der Meerwassererwärmung:

  • Artensterben (Tiere und Pflanzen)
  • Meerwasseranstieg durch Abschmelzen des arktischen Eises
  • Säureanstieg des Wassers
  • Sinkender Sauerstoffgehalt des Wassers
  • Ausbreitung invasiver Arten

Da die Ozeane unsere Wetterküche ist, sogt das immer wärmer werdende Meereswasser für milde Winter mit extremen Regenfällen, früheres Frühjahr, heiße trockener Sommer und einen wärmeren und von Starkregen dominierten Herbst.

Das bedeutet für das Dauergrünland: längere Vegetationsperiode, aber steigendes Risiko für sehr nasses, nicht trittfestes Grünland im Frühjahr und Herbst, sowie Dürreperioden im Sommer. Durch die teils sehr wassergesättigten Böden im Winter bis in das Frühjahr hinein können die Pferde erst später auf die nicht trittfesten Weiden. Wiesen sind im Frühjahr nicht immer befahrbar, obwohl das Gras gemäht werden könnte.

Ebenfalls durch den nassen Winter mit Folgen bis hin zum Frühjahr nehmen Pilzerkrankungen der Gräser und Kräuter zu.

Das sagt die Wissenschaft:

Klimaforscher Latif: Meereserwärmung begünstigt Wetterextreme

Der Erwärmung der Weltmeere hat direkte Folgen für das Leben an Land, sagt Klimaforscher Mojib Latif. Wärmere Ozeane bedeuten mehr Verdunstung, dadurch ist mehr Energie im System. Wetterextreme wie heftige Stürme und Starkregen sind die Folgen.

Zerback, Sarah | 18. April 2024, 06:50 Uhr, Deutschlandfunk

Beobachtungen zum Klimawandel: Und die Wetterfrösche haben wieder einmal recht

WMO-Präsident: Wir sollten wissenschaftliche Klimawandelszenarien sehr ernst nehmen

Offenbach, 9. März 2021 – “Ich bin immer wieder erstaunt, wie treffend der Weltklimarat schon in der 1990er Jahren unser jetziges Klima und die aktuellen Wetterextreme beschrieben hat. Heute liegen uns deutlich verbesserte wissenschaftliche Szenarien zur künftigen Entwicklung des Klimas und den Auswirkungen auf unsere Umwelt vor. Wir sollten sie deshalb sehr ernst nehmen“, erklärt Prof. Dr. Gerhard Adrian, Präsident der Weltorganisation für Meteorologie (WMO) und des Deutschen Wetterdienstes (DWD) anlässlich der jährlichen Klima-Pressekonferenz des nationalen Wetterdienstes.

Trotz der weltweiten Pandemie mit ausgebremster Wirtschaft und reduzierter Mobilität sei die Kohlendioxid-Konzentration in der Atmosphäre auch 2020 wieder gestiegen. Der Anstieg gehe also ungebremst weiter.

„Damit werden wir die im Paris-Abkommen vereinbarte Temperaturerhöhung von deutlich unter 2 Grad über dem vorindustriellen Niveau bis zum Jahr 2100 nicht erreichen. Leider sieht es im Moment sogar nach einem Plus von 3 bis 4 Grad aus.“

Zudem sei die globale Jahresmitteltemperatur seit Ende des 19. Jahrhunderts bereits um 1,1 Grad gestiegen. In Deutschland sind es 1,6 Grad. Die Folgen konnten, so Adrian, auch 2020 beobachtet werden: Das vergangen Jahr war weltweit das zweitwärmste seit Beginn der Aufzeichnungen. Die Meereisfläche in der Arktis erreichte im September 2020 nach 2012 ihren zweitniedrigsten Wert. Auch im vergangen Jahr konnte weltweit wieder eine Intensivierung und Zunahme von Wetterextremen beobachtet werden. Der WMO-Präsident nannte zwei markante Beispiele. In der Sahel-Region, um das Horn von Afrika sowie in Indien, Pakistan und China gab es 2020 besonders viel Niederschlag. Regional lag er um 500 Prozent über dem vieljährigen Mittel. Vom 1. Januar bis 17. November 2020 wurden weltweit 96 tropische Stürme registriert. Im Nordatlantik waren es mit 30 Stürmen mehr als doppelt so viele wie dort typisch sind.

Ist ein Wetterextrem schon vom menschengemachten Klimawandel beeinflusst?


Solche Wetterextreme und ihr zumindest gefühlt häufigeres Auftreten führen inzwischen immer häufiger zu der Frage, ob ein bestimmtes Extremereignis durch den vom Menschen verursachten Klimawandel beeinflusst wurde. „Diese spannende Frage können wir inzwischen oft beantworten“ so Tobias Fuchs, Vorstand Klima und Umwelt des DWD. Möglich mache das die junge Wissenschaft der Extremwetterattribution. Dabei stünden zwei Fragen im Vordergrund: Werden bestimmte Extremereignisse, wie zum Beispiel Hitzewellen, häufiger auftreten? Und: Sind diese Extremereignisse heutzutage intensiver als in der Vergangenheit? Um eine Extremwetterattribution durchzuführen, sind Modellsimulationen zweier verschiedener Welten erforderlich. Diese Simulationen beschreiben einerseits die Welt, in der wir aktuell leben und welche alle Einflüsse des Menschen beinhaltet. Anderseits beschreibe eine Simulation eine Welt ohne menschlichen Einfluss auf die Treibhausgase und andere Einflussfaktoren. Vergleiche man beide simulierten Welten, zeige sich, ob der Klimawandel die Häufigkeit und Intensität des untersuchten Extremereignisses beeinflusst hat. Leider könnten, schränkt Fuchs ein, noch nicht alle Wetterextreme so untersucht werden. Für Deutschland kämen bisher nur großräumige Extremniederschläge, Hitze- und Kältewellen sowie Dürren, die sich über mehrere Bundesländer erstrecken, in Frage. Als erfolgreiches Beispiel nannte der Klimatologe die langanhaltende Dürre im Nordosten Deutschlands im Jahr 2018. Ein solches Ereignis hatte es, zeigt ein Blick ins DWD-Klimaarchiv, in den vergangenen 140 Jahre dort noch nicht gegeben. Die Attributionsanalyse ergebe nun, dass sich durch den Klimawandel die Wahrscheinlichkeit für derart starke Dürren in der Region mindestens verdoppelt hat und dass zugleich deren Intensität zunimmt. Fuchs: „Das ist ein alarmierender Hinweis zum Beispiel für die Land- und Forstwirtschaft in dieser Region.“

Attributionsanalysen machen den Klimawandel greifbar


Noch sei jede Attributionsanalyse sehr arbeits- und damit zeitintensiv. Der DWD arbeite deshalb mit Partnern daran, die notwendigen Schritte zu operationalisieren und in den Routinebetrieb zu überführen. Dadurch soll es künftig möglich sein, schon wenige Tage nach einem Wetterextrem sagen zu können, ob der menschengemachte Klimawandel für eine intensivere Ausprägung gesorgt hat. Fuchs: „Unser Ziel ist, das Attributionsanalysen von Wetterextremen so selbstverständlich sind, wie deren Vorhersage. Unsere Analysen sind dabei ein Bindeglied zwischen dem heute erlebten Wetter und der ablaufenden Klimaveränderung. Sie machen den Klimawandel für uns Menschen greifbar – und zwar mit wissenschaftlichen Fakten.“

DWD verwendet zwei Klimareferenzperioden


Klimareferenzperioden ermöglichen, die aktuelle Witterung mit dem gegenwärtigen Klimazustand und der langfristigen Klimaveränderung zu vergleichen. Seit Beginn des Jahres 2021 ist der Zeitraum 1991-2020 die neue WMO-Referenzperiode. Bisher war der weltweite Standard die Periode 1961-1990. Der DWD wird, wenn der längerfristige Klimawandel sichtbar gemacht werden soll, entsprechend der Empfehlung der WMO weiterhin den Zeitraum 1961-1990 verwenden – also zum Beispiel bei der Frage, ob ein Monat oder eine Jahreszeit zu warm oder zu kalt war. Bei der zeitnahen Klimaüberwachung und zum Beispiel Analysen für den Einsatz erneuerbarer Energien kommt immer die aktuellste verfügbare Periode zum Einsatz.

2020 war in Deutschland das zweitwärmste Jahr seit 1881


In Deutschland war 2020 mit einer Mitteltemperatur von 10,4 Grad Celsius (°C) das zweitwärmste Jahr seit Beginn der inzwischen 140-jährigen Temperaturzeitreihe des DWD, berichtet Dr. Thomas Deutschländer, Klimaexperte des DWD. Damit fielen neun der zehn wärmsten Jahre in Deutschland ins 21. Jahrhundert. Wie schon 2019 waren elf der zwölf Monate zu warm – verglichen mit der Referenzperiode 1961-1990. Zwar wurden im Sommer 2020 Spitzenwerte von über 40 °C wie 2019 nicht erreicht. Die hochsommerlichen Temperaturen hatten aber wieder negative Auswirkungen. In der Landwirtschaft litten in Verbindung mit zu geringen Niederschlägen vor allem Obstgehölze und Wein, regional auch Mais, Zuckerrüben und Grünland unter der Trockenheit. Für die Wälder hielt die Trockenstresssituation in manchen Regionen selbst im November an. Dadurch war auch die Waldbrandgefahr wieder deutlich erhöht. Das vergangene Jahr war mit einer Niederschlagsmenge von 705 l/m2 im Flächenmittel für Deutschland 10,6 Prozent zu trocken. Besonders niederschlagsarm war das Frühjahr mit einem Defizit von 43 Prozent. So lag die nutzbare Feldkapazität – oft auch Bodenwasservorrat genannt – im April mit rund 68 Prozent markant unter dem vieljährigen Mittel von etwa 87 Prozent. Sie war damit so niedrig wie noch nie im Zeitraum 1991-2019. Dank des leicht wechselhaften Wetters mit etwas überdurchschnittlichen Niederschlagsmengen im Mai und August spitzte sich die Situation im vergangenen Sommer aber nicht wieder so zu wie in den beiden Vorjahren.

Unter dem Strich dominierte auch 2020 in der für das Pflanzenwachstum besonders wichtigen Zeit von April bis September die Trockenheit das Witterungsgeschehen. Deutschländer: „Insgesamt betrachtet verstärken die vergangenen drei Jahre die Befürchtungen der Klimaforschung, dass wir künftig immer öfter mit Wetter- und Klimaextremen rechnen müssen.“ In der warmen Jahreszeit würden sich dabei Hitze und Trockenheit regelmäßig mit Starkniederschlagsepisoden abwechseln – zu Lasten gemäßigter und wechselhafter Witterung.

Text und Abbildungen: Virtuelle‘ Klima-Pressekonferenz 2021 des Deutschen Wetterdienstes