Strategien zum Klimawandel: Grünland klimaresilient machen und so den Ertrag erhalten

Mittlerweile sollte es sich bis in den letzten Pferdestall herumgesprochen haben: Der Klimawandel ist da und es ist höchste Eisenbahn, die Futterproduktion mit geeigneten Massnahmen klimaresilient aufzustellen.

Um sich erfolgreich an das gewandelte Klima anpassen zu können, bedarf es zunächst einer Analyse seriöser, wissenschaftlich abgesicherter Beobachtungen. Auf folgende Entwicklungen müssen sich vorausschauende Pferdehalter*innen einstellen:

  • Milde, wenig frostige Winter
  • Hohe Niederschlagsmengen im Winter, wenn Schnee, dann viel und nass
  • Deutlich erhöhte Jahresniederschlagsmengen
  • Früherer Vegetationsbeginn, längere Vegetationsperiode bis in den Spätherbst
  • Heiße Sommer mit Unwetterpotential wie z.B. Starkregen, Hagel, Sturm, Gewitter.

Besonders durch die deutliche Erwärmung der Meere auf der gesamten Erdkugel, aber auch in Nord- und Ostsee, kann die wärmere Meeresluft deutlich mehr Wasser aufnehmen. Prallt diese feuchte, wassergesättigte Luft auf Festland, steigt sie in die Höhe und kühlt durch die in der Höhe abnehmende Temperatur ab. Damit verliert die ehemals warme Luft einen erheblichen Teil seiner Wasserspeicherkapazität. Es regnet teils unwetterartig. Und das meist länger als früher, weil die Geschwindigkeit des Jetstreams für das sog. Standwetter sorgt. Um es klar zu sagen: Im Winter bleibt es immer öfter frost- und schneefrei mit der Wahrscheinlichkeit langanhaltendem und sehr ergiebigen Regen. Verstärkt wird die Situation noch durch die höheren Amplituden des langsamer strömenden Jetstream, der selbst im Winter noch recht heisse, trockene Wüstenluft aus Afrika über das Mittelmehr schickt. Diese trockene und warme Luft kann dann auf dem warmen Meer sehr viel Wasser aufnehmen und diese feuchtwarm gewordene Luft prallt dann auf die Alpen und regnet ab. Kurz gesagt: Feuchtigkeit ist der Energieträger in der Luft. Gleich ob die Luft von Süden über das Mittelmeer oder vom warmen Atlantik aus Westen kommt, die großen Regenmengen kommen entweder in den Alpen oder in Westdeutschland an und bringen massivste Regenmengen. Wärme und Feuchtigkeit in der Luft ist immer energiergeladen und somit ein erhöhtes Risiko für Wetterextreme.

Hintergrundwissen:

Heiße Luft und ca. 30°C Wassertemperatur, wie im Sommer in der Mittelmeerregion üblich, enthält max. 30g Wasser je m3 Luft. Prallt diese feuchte Luft auf Festland und steigt, wird sie in größerer Höhe kälter. So z.B. 0°C. Diese kalte Luft kann aber nur noch max. 5 g Wasser je m3 Luft halten. Die Folge: Aus der Luft fallen in diesem Beispiel 25g Wasser je m3. Bei 80%iger Luftfeuchte muss die maximale Wassermenge mal 0,8 gerechnet werden, also 24g Wasser je m3 bzw. 4g Wasser je m3. Mehr Infos, die auch für das Stallklima wertvolle Infos bietet: hier .

Lufttemperaturmax. mögliche Wasserdampf-konzentration der Luft90% der maximal möglichen Wasserdampf-konzentration der Luft60% der maximal möglichen Wasserdampf-konzentration der Luft

°C
100%
rel. Luftfeuchte
(g/m3)
90%
rel. Luftfeuchte
(g/m3)
60%
rel. Luftfeuchte
(g/m3)
04,84,32,9
56,86,14,1
109,48,55,6
1512,811,57,7
2017,315,610,4
252320,713,8
3030,327,318,2
3539,535,623,7
40514630,6
*Zahlen nach einer Kommastelle gerundet **Je nach tatsächlich gemessener relativen Luftfeuchte und Temperatur wird der max. mögliche Wasserdampfgehalt mit dem Faktor 0,9 bei 90% rel. Luftfeuchte, 0,8 bei 80% rel. Luftfeuchte, 0,7 bei 70% rel. Luftfeuchte, usw. multipliziert.

Das Frühjahr beginnt meist schon ein- bis zwei Wochen eher als bisher gewohnt und in der Ausbildung gelernt. Auch die Vegetationsperiode verändert sich und sie wird deutlich länger. An sich eine gute Sache, denn die Pferde können eher und länger auf das Grünland und somit auch früher und länger das preiswerte Gras anstelle der teureren Futterkonserven fressen. Könnten, denn durch die starken Regenmengen ist das Gras zwar genügend gewachsen, aber das Grünland sehr oft nicht trittfest genug.

Da die Sommer immer höhere Temperaturen bereithalten, kann, je nach Lage, das Graswachstum im Hochsommer so reduziert sein, dass die Grünlandfläche des Betriebes nicht mehr ausreicht, um genügend Flächen zum Umweiden zur Verfügung stellen zu können, bzw. ein zweiter Schnitt in den Sommermonaten ausfallen muss. Diese Sommerfutterlücke kann nicht komplett durch die verlängerte Vegetationsperiode im Herbst aufgefangen werden, weil die deutlich verringerte Tageslichtlänge im Spätsommer/ Herbst nur noch für einen geringeren Grünlandertrag verantwortlich ist.

Um im Sommer einen maximal möglichen Grünlandertrag so gut als möglich in den Zeiten des Klimawandels zu erhalten, ist die Artenvielfalt von Gräsern und Kräutern auf Dauergrünlandflächen zu erhöhen. Wissenschaftlich bewiesen ist, dass mit jeder neuen Art im Dauergrünland der Ertrag signifikant steigt. In Schleswig- Holstein, so berichtet die Landwirtschaftskammer Niedersachsen, steigerte sich je Hinzugabe einer Art in der Aussaatmischung der Grünlandertrag in den Sommermonaten zwischen 18 und 27 dt Trockenmasse/Hektar. Diese Faustformel, Mehr Arten bedeutet mehr Ertrag, gilt allerdings nur, wenn die zusätzlichen Arten Tiefwurzler, wie z.B. Wiesenschwingel, Wiesenlieschgras, Wiesenrispe, Wioesenschweidel, Rohrschwingel, Rotschwingel, sind. Artenreiche, tiefwurzelnde Reparatursaatmischungen können die Sommerdepression des Dauergrünlandes deutlich mindern. Viele Landwirtschaftskammern bzw. Landwirtschaftsämter in Deutschland bieten für genau diesen Zweck geprüfte und an die Region angepasste Saatmischungen an.

Durch die häufiger auftretenden Extremwetterereignisse wird die Befahrbarkeit der Grünlandflächen auf vielen Standorten immer problematischer. Das gilt hinsichtlich der Schäden durch Bodenverdichtungen als auch der Ernte durch Kontamination mit Erde. Auch in dieser Hinsicht sind Strategien zur Bodenschonung absolut notwendig.

To – do – Liste: Resilienz gegenüber dem Klimawandel:

  • Neue Kalkulation Pferdebestand/Grünlandfläche
  • Neue Berechnung Futtergewinnung/ Futterlagerung je Pferd
  • Erhalt, besser nochAusweitung der Dauergrünlandflächen
  • Planung Reparatursaat
  • Grünland- Saatgutmischungen anpassen
  • Suche nach artenreicherer, tiefwurzelnder Grünlandmischung
  • Indikator „Trittfestigkeit des Grünlandes“ erstellen
  • Mistlagerungsplatz wegen Gewässer- und Bodeneintrag neu bewerten
  • Jahresplanung Grünlandmanagement überarbeiten
  • Alte Bauernregeln und Erfahrungsberichte von älteren Kollegen stimmen nicht mehr
  • Deckungsbeitrag Pensionspreis überarbeiten
  • Notfallplan bei Extremwetterereignissen
  • Gewässergefahren neu bewerten
  • Risikoanalyse zu Extremwetterereignissen
  • Blitzschutz kontrollieren, blitzschlaggefährdete Weiden identifizieren
  • Bodenschonende Bewirtschaftung planen
  • Notfallplan erstellen bei Futtermittelausfall
  • Tragfähigkeit von Hallen besonders bei hohen, nassen Schneelasten neu bewerten
  • * Dieser Beitrag beschäftigt sich nicht mit wichtigen, weitergehenden Maßnahmen, wie Düngung, Kraftstoffeinsatz, Heizung, Energieverbrauch, Vermeidung von Einwegmaterial, Abfalllogistik, usw..

Diese Liste zeigt lediglich die mögliche Komplexität zum Erreichen der Klimaveränderungsresilienz. Auf keinen Fall erhebt diese Liste den Anspruch vollständig und für jeden Betrieb passend zu sein. Dafür sind Standorte, Böden, Nutzungen, usw. viel zu individuell.

Strategien: Tiefwurzelnde Gräser

Alle bisherigen Klimaprognosen sagen voraus, dass der Jahresniederschlag auch im Klimawandel unverändert bleibt, allerdings wird sich die Verteilung ändern: Zunehmende Niederschläge im wärmeren Winterhalbjahr und abnehmende Niederschläge im zunehmend heißen, trockenen Sommerhalbjahr. Diese Klimaveränderung hat große Auswirkungen auf das Pferdegrünland. Hohe Erträge sind kaum noch zu erwarten. Das Futter für die Pferde wird knapper.

Die Grassorten des Pferdegrünlandes reagieren unterschiedlich auf Trockenstress. Besonders anfällig gegenüber der Sommerdürre ist das Weidelgras. Trockenheitstolerante Gräser sind auf vielen Standorten mittlerweile zu bevorzugen. Althergebrachte Ratschläge und nicht aktuelle Literatur sind nicht mehr empfehlenswert, sozusagen oldschool.

Standardgrasmischungen mit hohem Weidelgrasanteil sind im Zeichen des Klimawandels in Mitteleuropa auf vielen Flächen nicht mehr Stand der Technik.

Da der Ertrag durch die zunehmende Trockenheit abnehmen wird, muss folgerichtig die Düngung heruntergefahren und auch der Tierbesatz verringert werden. Darauf müssen sich Tierhalter einstellen.

Gräser mit hoher Toleranz gegenüber Frühjahrs- und Sommertrockenheit Eigenschaften
RohrschwingelFestuca arundinacea, robust, ertragreich, trockenresistent, tief wurzelnd, strukturbetontes Gras (Blatthärte), setzt sich in Grasmischungen besser durch als der sanftblättrige Rohrschwingel
Sanftblättriger Rohrschwingelbis zu 1 Meter tiefwurzelnd, da langsame Jugendentwicklung immer im August/ September aussähen, horstbildend, geringere Blatthärte
Wiesenschwingelweidefest, horstbildend
Knaulgrashorstbildend, robust, nutzungsunempfindlich
Lieschgras, Timothehorstbildend, Obergras, weidetest, strukturbetontes Gras
Wiesenschweidel, FestuloliumZüchtung aus Wiesenschwingel und Welschem Weidelgras, strukturbetontes Gras
Glatthafer, Französisches Raygrashorstbildend, beständig nur bei extensiver Beweidung, eher geeignet auf Dauerwiesen
FedergrasStipa pennata (Echtes Federgras) und Stipa capillata (Haar- Pfrimengras), horstbildend, als Steppengras hervorragend an Dürreperioden angepasst
Reihenfolge der Aufzählung ist zufällig, keine Bewertung. Einen Grünlandbestimmungsschlüsse findet Ihr unter MEDIEN

Die Landwirtschaftskammern Niedersachsen, NRW und SH empfehlen derzeit für Norddeutschland im Zuge des Klimawandels die aus ihrer Sicht besonders trockenheitstolerante Grasmischung GIV (Wiesenlieschgras, Knaulgras, Wiesenrispe und spätes Deutsches Weidelgras). Das LfL Bayern (Bayerisches Landesanstalt für Landwirtschaft) bietet eine entsprechend trockenheitstolerante Grasmischung für Süddeutschland an. Zur Zeit wird beim LfL auch an neueren, klimageeigneten Saatgutmischungen geforscht. Natürlich kann sich jeder Pferdehalter*in seine eigene Saatgutmischung erstellen bzw. einzelne Sorten zur Nachsaat einsetzen.