Basics: Warum leben wir (bald) nicht mehr in einer gemäßigten Klimazone?

Warum kommt es bei uns vermehrt zu Dürre- und Starkregenereignissen?

Obwohl es anders aussieht, das Wetter entsteht nicht zufällig. Verantwortlich für das Wetter- und Klimageschehen sind globale Windzirkulationen, die klaren Gesetzmäßigkeiten unterliegen. Direkt beeinflussen uns die Windzirkulationen der Nordhalbkugel. Welche Gesetzmäßigkeiten gibt es hier bei uns?

Polarwirbel und Jetstream steuern unser Wetter

Hellgrüne Linie: Jetstream, hellblaue Linie: Polarwirbel

Wettermotor auf der Nordhalbkugel ist der Polarwirbel. Seine Energie erhält er aus der Temperaturdifferenz zwischen dem kalten Nordpol und dem warmen Süden. Dieser sehr schnelle und kräftige Polarwirbel treibt wiederum den in 10 km Höhe und ca. 500 km/h schnellen Jetstream an. Der umkreist in Wellenlinien unsere Nordhalbkugel.

In einem Wellental des Jetstream bilden sich auf seiner Nordseite Tiefdruckgebiete aus. Entsprechend befinden sich im Wellenberg auf der Südseite Hochdruckgebiete. Der Jetstream transportiert also immer abwechselnd Hochdruck- und Tiefdruckgebiete über uns hinweg. Bisher war die Lage und Geschwindigkeit des Jetstreams so justiert, dass durchschnittlich 3 Tage Hochdruck und danach 3 Tage Tiefdruck unser Wetter dominierten. Gemäßigtes Klima eben. Sonne und Regen im harmonischen Verhältnis.

Diese Zeiten sind vorbei

Es ist kein Geheimnis, dass die Temperaturen im nordpolaren Bereich drastisch steigen. Der hohe Norden wird an manchen Tagen mediterran. In Grönland kann der Salat im Freiland wachsen, die Permafrostböden tauen auf und die ersten Flaschen Wein werden auf Island abgefüllt. Die Eisberge am Nordpol schmelzen schneller als prognostiziert. Was hat das mit dem Wetter zu tun? Eigentlich ganz einfach: Der Polarwirbel wird langsamer, weil die deutlich geringere Temperaturdifferenz zwischen Polkappe und dem Süden zu einer geringerer Energielieferung an den Polarwirbel führt. Dem Polarwirbel droht die Energie auszugehen. Als Folge wird der durch den Polarwirbel angetriebene Jetstream ebenfalls träger. Die Amplituden werden höher, gleichzeitig breiter und bewegen sich auch noch deutlich langsamer. Und genau das hat Auswirkungen auf unser Wetter und Klima.

Polarwirbel und Jetstream geht die Puste aus

Hellgrüne Linie: Jetstream, hellblaue Linie: Polarwirbel

Der Wechsel von Hochdruck- und Tiefdruckgebieten vollzieht sich nicht mehr in Tagen, sondern im Wochenrhythmus. Wochenlang tiefdruckbedingtes Regenwetter oder wochenlang hochdruckbedingte Saharahitze. Der Jetstream verliert seinen früheren Schwung, nicht ohne Grund hören wir von den Meteorologen immer öfter den Begriff „Standwetter“. In manch Wetterbericht wird vermerkt, dass eigentlich die Wettervorhersage vom Band kommen könne, da immer gleich.

Mal Saharahitze, mal Polarkälte

Die größere Amplitude des heutigen Jetstream sorgt dafür, dass Tiefdruckgebiete bis an den Äquator und Hochdruckgebiete bis in die polaren Bereiche gelangen können. Wenn sich dann aber polare Kaltluft und äquatoriale Warmluft treffen, kommt es durch die massiven Temperaturdifferenzen zu kräftigen Energieentladungen (Gewitter) mit bei uns bisher nicht für möglich gehaltenen Regenmengen in kurzer Zeit. Warum das? Ganz einfach: Warme Luft kann mehr Wasser speichern als kalte Luft.

Das Meer entlädt sich über uns

Ein derzeit häufig zu beobachtendes Beispiel: äquatoriale, 30°C warme Luft nimmt über dem Mittelmeer und oder dem Atlantik bis zu 30 g Wasserdampf je m3 auf. Prallt diese feuchtwarme, wassergesättigte Luft auf polare Kaltluft von z.B. 10°C, steigt sie in die Höhe, kühlt ab und dann muss sie ca. 20 g Wasser je m3 Luft abregnen, denn diese erkaltete Luft kann nur noch 9,5 g Wasser je m3 Luft halten.

Bereits ein Temperaturanstieg von nur 1°C ermöglicht eine 7% gesteigerte Wasserdampfaufnahme. Die vergrößerte Amplitude des die Nordhalbkugel umschlingenden, immer träger werdenden Jetstreams sorgt für teilweise monsunartige Regenereignisse in unserer ehemals gemäßigten Klimazone , die wir bisher nur aus dem Fernsehen in weit entfernten Ländern kannten.

Standwetter

In einem Gespräch in der Sendung Markus Lanz am 19.08.2020 nimmt der Meteorologe Sven Plöger Stellung zum derzeitigen Dürresommer. Bemerkenswerte Aussagen, die es lohnen, von mir aufgeschrieben zu werden:

Das Gespräch mit Markus Lanz wurde von mir zusammengefasst und die mir wichtig erscheinenden Stellen in meinen Worten wiedergegeben.

Beginnend mit 2018 ist es die größte Dürreperiode seit 254 Jahren.

Seit Januar 2018 bis August 2020 hat es zwar 9 Monate gegeben die zu nass waren, wie z.B. der Februar 2020, aber 23 Monate, in denen viel zu wenig Niederschlag gemessen wurde. Die Gesamtbilanz der vergangenen 32 Monate: historische Trockenheit.

In den tieferen Bodenschichten fehlen, je nach Region, 300 l bis 500 l/m2 Wasser. Es fehlt praktisch ein ganzes Jahr mit durchschnittlichem Niederschlag.

Warum ist die Dürre klimabedingt?

Erklärt werden kann das durch den Strahlstrom, oder auch Jetstream genannt. Normalerweise ist es am Äquator heiß und am Nordpol kalt: Eine große Temperaturdifferenz. Je größer diese Temperaturdifferenz, desto größer ist das Bestreben, diese auszugleichen. Aus diesem Grund war bisher der Strahlstrom bei uns in Deutschland für häufige Wechsel zwischen Hoch- und Tiefdruckgebieten verantwortlich. Das Wetter war dadurch gekennzeichnet durch rasche Wetterwechsel. Hitze und Kälte, Trockenheit und Niederschläge im dauernden Wechsel. Wirkliche Dürreperioden waren sehr selten.

Sven Plöger erklärt das „Standwetter“ in der Sendung Markus Lanz am 19.08.2020

Jetzt aber wird es durch den menschengemachten Klimawandel am Nordpol deutlich wärmer. Folglich nimmt die Temperaturdifferenz zwischen Pol und Äquator ab, der Jetstream (Strahlstrom) wird geringer, das Wettersystem mit seinen rasch wechselnden Wetterlagen wird träger: Das Ergebnis ist, so nennt es Plöger, „Standwetter“. Hochs und Tiefs bleiben lange bestehen. Und wenn so ein Frühjahrs- und Sommerhoch nicht nur tage- sondern wochenlang bei uns bleibt, dann dominiert Dürre. Und wenn es einmal ein anhängliches Tiefdruckgebiet ist, so wie im Februar 2020, dann regnet es ohne Ende. Das Entscheidende ist, dass diese Regenperioden die Sommerdürre nicht kompensieren können.

Und genau das sehen wir jetzt, im Sommer 2020.

Derartige Dürren am Stück werden durchaus normal sein.

Tipp: Die gesamte Sendung kann in der ZDF Mediathek angesehen werden