Wer über den Klimawandel und die Hufrehe schreibt, kann nicht vermeiden, sich mit dem Energiehaushalt der Pflanze zu beschäftigen.
Die grünen Blätter der Pflanze sind „Solarzellen“: Energiereiches Sonnenlicht wird in den Blättern in Traubenzucker (Fachsprache: kurzzeitige Kohlenhydrate, sog. Monosacharide) umgewandelt.
Der Energieaufbau der Pflanze: Photosynthese (Assimilation):
6 CO2 | + | 6 H20 | + | Sonnenlicht | = | C6H12O2 | + | 6O2 |
Kohlendioxid aus der Luft | + | Wasser | + | Sonnenlicht | = | Traubenzucker | + | Sauerstoff in die Luft |
Die aufgebaute Energie wird verbrannt (= Oxidation) und in Arbeit (Wachstum, Blüte, Samenbildung, Bewegung, Wassertransport) umgewandelt:
Der Energieabbau der Pflanze: Abbau durch Atmung (Dissimilation):
C6H12O2 | + | 6O2 | = | Arbeit | + | 6CO2 | + | 6H20 |
Traubenzucker | + | Sauerstoff aus der Luft | = | Arbeit | + | Kohlendioxid in die Luft | + | Wasser |
Normalerweise besteht ein Gleichgewicht zwischen Energieaufnahme aus dem Sonnenlicht und der Umwandlung in Arbeit. Beim Auto würde man/frau sagen, dass tagsüber getankt und nachts gefahren wird. Am nächsten Morgen ist der Tank dann leer und es muss wieder getankt werden. Wenn aber nachts nicht gefahren wird, bleibt der Tank voll. Trotzdem kann die Pflanze nicht verhindern, dass am Tage „getankt“ wird. Der Tank würde überlaufen und die gerade getankte Energie für die Pflanze verloren gehen. Damit das nicht passiert, kann die Pflanze die aus der Photosynthese gewonnene Energie (Traubenzucker) in langkettigen Zucker (Stärke) umwandeln und in ihrem Stengel speichern. Damit ist die überschüssige Energie für den späteren Verbrauch gerettet.
Merke: Überschüssiger Traubenzucker (kurzkettige Kohlenhydrate), der nicht in Arbeit umgewandelt werden kann, wird in langkettigen Zucker umgewandelt und im Pflanzenstengel gelagert. Dieser „Lagerzucker“ (langkettige Kohlenhydrate) wird bei den Pflanzen Fruktan genannt.
Die clevere Energiespeichung der Pflanze hat allerdings einen Nachteil für unsere Pferde: Gut genährte Wohlstandspferde sind mit fruktanreichem Gras überversorgt und es droht nicht selten Hufrehe. Erhöhte Fruktangehalte sind nicht die einzige, aber eine sehr wichtige und oft diagnostizierte Ursache der Hufrehe.
Was sind die Gründe für eine erhöhten Fruktaneinlagerung in der Pflanze?
Wenn die Tage lang und hell sind, wird entsprechend viel Energie in den Blättern produziert. Die Pflanze wächst üppig und verbraucht die großen Energiemengen. Aber nur, wenn die Wachstumsbedingungen (Wachstumsfaktoren) es zulassen.
Zu wenig Wasser, zu hohe oder zu niedrige Temperaturen sowie Nährstoffimbalancen einzeln oder kombiniert verhindern den Energieabbau. Die Pflanze lässt die unverbrauchte Energie nicht nutzlos entweichen, sondern speichert sie als Fruktan in den Pflanzenstengeln.
Da bei zunehmendem Klimawandel unsere heimischen Pflanzen, die eigentlich an ein gemäßigtes Klima angepasst sind, immer öfter gestresst werden durch Hitze und/oder Wassermangel, die Sonne aber für hohe Photosyntheseraten (Energieaufbau) sorgt, ist der Klimawandel für die erhöhte Fruktaneinlagerung in unseren Gräsern verantwortlich. Kurz gesagt: Die Gefahr für unsere Pferde, eine Hufrehe zu erleiden steigt deutlich.
Merke:
Photosynthese | mangelnder Wachstumsfaktor | Energieform |
---|---|---|
lange Sonnenlichtstunden | + Trockenstress | Fruktaneinlagerung |
lange Sonnenlichtstunden | + Hitzestress | Fruktaneinlagerung |
lange Sonnenlichtstunden | + kalte Nacht | Fruktaneinlagerung |
lange Sonnenlichtstunden | + Nährstoffmangel | Fruktaneinlagerung |
lange Sonnenlichttage | + kalter Boden | Fruktananreicherung |
… | … | … |